User:Rarus/kdf

Auf dieser Seite werden die Stücke aus Bachs Kunst der Fuge nach Fundorten der im IMSLP greifbaren Quellen und Ausgaben aufgeschlüsselt sowie einzelne Quellen- und Anordnungsprobleme aufgeführt. Der Text geht teilweise auf den Artikel Die Kunst der Fuge der deutschen Wikipedia zurück, in dem sich weitere entstehungsgeschichtliche und analytische Ausführungen finden. Textteile, die aus dem Wikipedia-Artikel per Kopieren & Einfügen übernommen sind, erscheinen in der Versionsgeschichte dieser Seite unter demselben Autornamen.

Contents

Quellen

Autographen

Eine abschließende Reinschrift der Kunst der Fuge ist nicht überliefert und hat vielleicht nie existiert. Die vier heute noch bekannten Autographen, von denen keines den Zyklus vollständig enthält, spiegeln meistens einen früheren Stand der Komposition. Sie liegen sämtlich in der Staatsbibliothek Berlin und sind in einem Konvolut zusammengefaßt.

  • Mus. ms. autogr. Bach P 200: Das Hauptautograph, entstanden ca. 1745–1748, umfaßt den größten Teil des Zyklus in anderer Reihenfolge als der Erstdruck (und die heute übliche Ausgaben). Es fehlen die Contrapuncti 4, 13 in der Fassung für zwei Cembali, die unvollendete, oft als „Contrapunctus 14“ bezeichnete Fuge sowie die Kanons in der Dezim und in der Duodezim. Außer dem Augmentationskanon (BWV 1080, 14) bringt das Autograph noch einen früheren Kanon, dem dieselbe Kompositionsidee zugrunde liegt (BWV deest). Der Titel Die Kunst der Fuga / di Sig.o [sic] Joh. Seb. Bach ist von Johann Christoph Altnikol geschrieben. Es handelt sich wenigstens zum Teil um ein Kompositionsautograph, d.h. es gibt durch eine Reihe von Umarbeitungen und Korrekturen den Kompositionsprozess wieder.
  • Mus. ms. autogr. Bach P 200, Beilage 1 (ca. 1749) enthält auf drei losen Blättern den Augmentationskanon (Canon per Augmentationem contrario motu BWV 1080, 14) in der Form, in der er Eingang in den Erstdruck gefunden hat. In das Manuskript hat Bach Hinweise über Zeilen- und Seitenumbrüche für den Stecher eingetragen, die der Erstdruck – der sich im übrigen genau an die Vorlage hält – nur teilweise befolgt.
  • Mus. ms. autogr. Bach P 200, Beilage 2 (ca. 1749) enthält den Contrapunctus 13 (rectus und inversus; s.u.) in den Fassungen für zwei Cembali. Auch dieses Manuskript, obwohl es nicht für den Stich vorbereitet wurde wie Beilage 1, diente als Vorlage für den Erstdruck.
  • Mus. ms. autogr. Bach P 200, Beilage 3 (ca. 1749): Auf fünf einzelnen Blättern ist der unvollendete Contrapunctus 14 nicht in Partitur, sondern auf ein „Klaviersystem“ (zwei Systeme pro Akkolade) notiert. Das Stück bricht mitten auf der Seite 5 ab, es folgt von der Hand vermutlich Carl Philipp Emanuel Bachs der Vermerk: „Ueber dieser Fuge, wo der Nahme BACH im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfasser gestorben.“ Auf der Rückseite des vierten Blattes stehen Korrekturen, ebenfalls vielleicht von Carl Philipp Emanuel Bach geschrieben.

Von bach digital wurde bisher nur das Hauptautograph ohne Beilagen im Internet zugänglich gemacht <ref>Die Kunst der Fuge bei bach digital</ref>; es fehlen darin die Seiten 36 und 37. Auch im IMSLP ist daher zur Zeit noch nicht mehr abrufbar.

Erstdruck

Der Erstdruck erschien vermutlich 1751 unter dem Titel Die / Kunst der Fuge / durch / Johann Sebastian Bach / ehemahligen Capellmeister und Musikdirector zu Leipzig; eine zweite Auflage, die einige Korrekturen enthält, 1752. Der Stecher war Johann Heinrich Schübler, der jüngere Bruder von Johann Georg Schübler, der 1748–49 Bachs sogenannte Schüblerchoräle gestochen und verlegt hatte.

Der Erstdruck enthält mit Ausnahme der Erstkomposition des Augmentationskanons sämtliche bekannten Stücke der Kunst der Fuge in einer vom Hauptautograph abweichenden Reihenfolge; für drei (Contrapunctus 4 und die Kanons in der Dezim und der Duodezim) ist er die einzige Quelle. Er ist offensichtlich vom Herausgeber, als der Carl Philipp Emanuel Bach vermutet wird, in aller Eile zusammengestellt worden, da er Doppelfassungen enthält, die höchstwahrscheinlich nicht in die endgültige Sammlung gehören. Zum einen folgt auf Contrapunctus 13 eine Frühfassung des Contrapunctus 10, die erst mit Takt 23 beginnt; zum anderen bringt er gegen Ende vierstimmige Alternativfassungen der beiden Varianten des dreistimmigen Contrapunctus 13 „a 2. Clav:“, also für zwei Tasteninstrumente.

Der Choral

Die erste Auflage setzt vor den Notentext die

„Nachricht.
Der selige Herr Verfasser dieses Werkes wurde durch seine Augenkrankheit und den kurz darauf erfolgten Tod ausser Stande gesetzet, die letzte Fuge, wo er sich bey Anbringung des dritten Satzes namentlich zu erkennen giebet, zu Ende zu bringen; man hat dahero die Freunde seiner Muse durch Mittheilung des am Ende beygefügten vierstimmig ausgearbeiteten Kirchenchorals, den der selige Mann in seiner Blindheit einem seiner Freunde aus dem Stegereif in die Feder dictirert hat, schadlos halten wollen.“

Gemeint ist die vermutlich zwischen 1744 und 1747 entstandene Choralbearbeitung für Orgel „Wenn wir in hoechsten Noethen“ (BWV 668, eigentlich „Vor deinen Thron tret' ich hiermit“; aus den „18 Choralvorspielen“), die als Schlußstück auf den Contrapunctus 14 folgt. Sie war also eindeutig von Bach nicht für die Kunst der Fuge vorgesehen, sondern ist von den posthumen Herausgebern angefügt worden.

Konkordanz von Hauptautograph und Erstausgabe

A: Autograph (ohne Beilagen). Das Autograph hat mehrere Zählungen (Seiten, Blätter, Stücke), die nicht von Bach stammen. Die Zahlen in der Tabelle beziehen sich auf die Seitenzählung.
ED: Erstdruck.
BWV: Nummerierung innerhalb der Bachwerkeverzeichnis-Nummer 1080. Aus technischen Gründen sind die hochgestellten Ziffern des BWV durch normale mit Komma abgetrennte Ziffern wiedergeben.

A: Seite A: Titel, soweit vorhanden ED: Seite ED: Titel BWV
1 1 Contrapunctus 1. 1
6 3 Contrapunctus 2. 2
4 6 Contrapunctus 3 3
8 Contrapunctus 4 4
8 13 Contrapunctus 5. 5
16 16 Contrapunctus 6. a 4 in Stylo Francese 6
20 19 Contrapunctus 7. a 4 per Augment et Diminut: 7
25 21 Contrapunctus 8. a3 8
10 26 Contrapunctus 9. a 4. alla Duodecima 9
29 Contrapunctus 10. a. 4. alla Decima. 10
14 45 Contrap. a 4 [Frühversion von Contrapunctus 10, ohne die Takte 1–22 der Endfassung] 10
28 32 Contrapunctus 11. a 4. 11
33 39 Contrapunctus inversus a 4 12,1
33 [akkoladenweise unter BWV 1080/12,1 notiert] 37 Contrapunctus inversus 12 á 4 12,2
36 43 Contrapunctus inversus a 3 13,1
36 [akkoladenweise unter BWV 1080/13,1 notiert] 41 Contrapunctus a 3 13,2
38 Canon al roverscio et per augmentationem [zweite Komposition, zweistimmige Notierung] 48 Canon per Augmentationem in Contrario Motu. 14
32 [zweistimmige Notierung der ersten Komposition (BWV 1080 deest) des Augmentationskanons BWV 1080/14] 14
33 Canon in Hypodiatessaron al roversio et per augmentationem [Takt 1-22 der ersten Komposition des Augmentationskanons in einstimmiger Notierung] 14
23 Canon in Hypodiapason. [einstimmige Notierung] 15
23 Resolutio Canonis [Auflösung in zweistimmiger Notierung] 51 Canon alla Ottava 15
53 Canon alla Decima [in] Contrapunto alla Terza 16
55 Canon alla Duodecima in Contrapunto alla Quinta 17
57 Fuga a 2. Clav: [vierstimmige Fassung von Contrapunctus 13 BWV 1080/13,1] 18,1
59 Alio modo Fuga a 2. Clav. [vierstimmige Fassung von Contrapunctus 13 BWV 1080/13,2 18,2
61 Fuga a 3 Soggetti 19
66 Choral. Wenn wir in hoechsten Noethen Canto Fermo in Canto BWV 668

Die Stücke im einzelnen

Da sich die Zählungen einzelner Herausgeber und Sekundärautoren unterscheiden, werden die Stücke hier nach dem Bachwerkeverzeichnis geordnet. Bei den einzelnen Stücken sind die Seitenzahlen der im IMSLP vorhandenen Ausgaben nach der Seite des Drucks, nicht der pdf-Datei gegeben.

Ausgaben

Bachgesellschaft 1878 (Rust): Erste Ausgabe im Rahmen der Gesamtausgabe der Bachgesellschaft, hg. von Wilhelm Rust (Band 25, 1878)
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): Zweite Ausgabe im Rahmen der Gesamtausgabe der Bachgesellschaft, hg. von Wolfgang Graeser (Band 47: Supplement, 1926)
I: Ausgabe von Werner Icking

BWV 1080,1: „Contrapunctus 1“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 1 Inc.jpg

Autograph: S. 1
Erstdruck: S. 1; Contrapunctus 1.
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 3
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 3
I:

BWV 1080,2: „Contrapunctus 2“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 2 Inc.jpg

Autograph: S. 6
Erstdruck: S. 3; Contrapunctus 2.
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 6
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 7
I:

BWV 1080,3: „Contrapunctus 3“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 3 Inc.jpg

Autograph: S. 4
Erstdruck: S. 6; Contrapunctus 3
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 10
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 12
I:

BWV 1080,4: „Contrapunctus 4“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 4 Inc.jpg

Autograph: fehlt
Erstdruck: S. 8; Contrapunctus 4
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 13
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 16
I:

BWV 1080,5: „Contrapunctus 5“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 5 Inc.jpg

Autograph: S. 8
Erstdruck: S. 13; Contrapunctus 5.
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 18
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 23
I:

BWV 1080,6: „Contrapunctus 6“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 6 Inc.jpg

Autograph: S. 16
Erstdruck: S. 16; Contrapunctus 6. a 4 in Stylo Francese
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 22
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 28
I:

BWV 1080,7: „Contrapunctus 7“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 7 Inc.jpg

Autograph: S. 20
Erstdruck: S. 19; Contrapunctus 7. a 4 per Augment et Diminut:
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 27
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 35
I:

BWV 1080,8: „Contrapunctus 8“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 8 Inc.jpg

Autograph: S. 25
Erstdruck: S. 21; Contrapunctus 8. a3
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 31
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): s. 41
I:

BWV 1080,9: „Contrapunctus 9“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 9 Inc.jpg

Autograph: S. 10
Erstdruck: S. 26; Contrapunctus 9. a 4. alla Duodecima
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 37
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 49
I:

BWV 1080,10: „Contrapunctus 10“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 10 Inc.jpg

Frühere Fassung (es fehlen u.a. die Takte 1–22 der Endfassung):
Autograph: S. 14
Erstdruck: S. 45; Contrap. a 4
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 67 unter dem Titel „Contrapunctus XIV“
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 128 (= Anhang)
I:

Endfassung:
Autograph: fehlt
ED: S. 29; Contrapunctus 10. a. 4. alla Decima.
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 43
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 56
I:

BWV 1080,11: „Contrapunctus 11“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 11 Inc.jpg

Autograph: S. 28
Erstdruck: S. 32; Contrapunctus 11. a 4.
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 48
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 62
I:

BWV 1080,12: „Contrapunctus 12“

rectus (BWV 1080,121): Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 12,1 Inc.jpg
inversus (BWV 1080,122): Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 12,2 Inc.jpg

Autograph: S. 33 (rectus und inversus akkoladenweise untereinandernotiert)
Erstdruck: S. 39; Contrapunctus inversus [!] a 4 [= rectus] - S. 37; Contrapunctus inversus 12 á 4 [= inversus]
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 55 (rectus und inversus akkoladenweise untereinandernotiert)
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 101 unter dem Titel „Contrapunctus XVIII“ (rectus und inversus akkoladenweise untereinandernotiert)
I:

BWV 1080,13 und BWV 1080,18: „Contrapunctus 13“

Dreistimmige Fassung BWV 1080,13

rectus (BWV 1080,131): Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 13,1 Inc.jpg
inversus (BWV 1080,132): Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 13,2 Inc.jpg

Autograph: S. 36 (rectus und inversus akkoladenweise untereinandernotiert)
Erstdruck: S. 43; Contrapunctus inversus a 3 [= rectus BWV 1080,131] - S. 41; Contrapunctus a 3 [= inversus BWV 1080,132]
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 61 (rectus und inversus akkoladenweise untereinandernotiert)
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 85 unter dem Titel „Contrapunctus XVI“ (rectus und inversus akkoladenweise untereinandernotiert)
I:

Vierstimmige Fassung BWV 1080,18 für zwei Claviere

rectus (BWV 1080,181): Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 18,1 Inc.jpg
inversus (BWV 1080,182): Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 18,2 Inc.jpg

Autograph: Beilage 2 (rectus und inversus getrennt auf zwei Einzelblättern notiert)
Erstdruck: S. 57; Fuga a 2. Clav: [= rectus BWV 1080,181] - S. 59; Alio modo Fuga a 2. Clav. [= inversus BWV 1080,182]
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 85 (rectus BWV 1080,181) - S. 89 (inversus BWV 1080,182)
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 93 unter dem Titel „Contrapunctus XVII“ (rectus und inversus akkoladenweise untereinandernotiert)
I:

Bemerkung

Rectus und Inversus sind zwei Varianten desselben Stücks, die sich als Spiegel aufeinander beziehen: In der Inversus-Fassung gehen die aufwärtsgerichteten melodischen Schritte der Rectus-Version abwärts und umgekehrt. Anders als bei BWV 1080,12 ist aber die Anordnung der Stimmen nicht selbst auch gespiegelt: Der Sopran des Rectus (BWV 1080,131) wird im Inversus (BWV 1080,132) zum Baß, der Alt zum Sopran und der Baß zum Alt. Die auf gesonderte Blätter notierten Fassungen für zwei Claviere (BWV 1080,18) fügen den dreistimmigen Fassungen jeweils eine zusätzliche Stimme in der Baßregion - die sich in der Baßfunktion daher mit der aus der dreistimmigen Fassung übernommenen abwechselt - hinzu. Diese beiden zusätzlichen Stimmen sind frei, d.h. nicht als Spiegelformen aufeinander bezogen.

Über die Frage, ob Bach die drei- oder die vierstimmige Fassung als die endgültige ansah und welche Version tatsächlich als Rectus oder Inversus zu bezeichnen sei, sind bis heute nicht abgeschlossene Diskussionen geführt worden. Allgemein wird angenommen, daß Bach nicht die dreistimmige sowohl als die vierstimmige Fassung in die Sammlung aufnehmen wollte. Auch über die Rectus-Inversus-Folge sind die Quellen unklar. Für die Bezeichnung von BWV 1080,131 als Rectus spricht:

  • Die Anordnung der dreistimmigen Fassungen im Hauptautograph: BWV 1080,131 ist akkoladenweise über BWV 1080,132 notiert (so auch wiedergegeben in den beiden Ausgaben der Bachgesellschaft). Beilage 2 dagegen bringt die beiden Versionen von BWV 1080,18 getrennt auf zwei Blättern, die ursprünglich einen Doppelbogen bildeten, später aber getrennt wurden, so daß eine Reihenfolge nicht mehr feststellbar ist.
  • Die Reihenfolge der vierstimmigen Fassungen im Erstdruck.
  • Die Tatsache, daß BWV 1080,131 in seinen harmonischen Abläufen in hohem Maß spätbarocken Konventionen entspricht - in höherem Maß sogar als viele andere Fugen -, etwa in der Sequenzfolge Takt 13-19, die den Themeneinsatz Takt 20 vorbereitet. Die entsprechende Passage in BWV 1080,132 folgt in weit geringerem Maß barocken Konventionen. Diese Beobachtung spricht dafür, daß BWV 1080,131 das früher komponierte Stück ist.

Für die Bezeichnung von BWV 1080,132 als Rectus spricht:

  • Die Reihenfolge der dreistimmigen Fassungen im Erstdruck sowie die Bezeichnung von BWV 1080,131 als Contrapunctus inversus a 3.
  • Die Tatsache, daß das Thema von 1080,132 eine Paraphrase des Hauptthemas des Gesamtzyklus ist, 1080,131 also über die Spiegelform komponiert ist.

Angesichts der durchweg konfusen Anordnung und Titelgebung des Erstdrucks kommt dessen Zeugnis als Argument kaum in Betracht. Auch die Definition von "Zyklusthema" und dessen Spiegelung ist nicht von Bach vorgegeben; sie wird von heutigen Autoren daraus abgeleitet, daß das "Thema" in Contrapunctus 1 auftritt, dessen "Spiegelung" aber erst im zweiten (Autograph) bzw. dritten Stück (Erstdruck). Es läßt sich ohne Zwang annehmen, daß Bach auch hier wieder eine Fuge über die "Spiegelung" komponiert hat. Dagegen sprechen sowohl die Anordnung im Autograph als auch der analytische Befund der Kompositionen dafür, daß 1080,131 zumindest das zuerst komponierte Stück ist und die übrigen Fassungen davon abgeleitet sind.

Einer Erklärung bedarf die Bezeichnung Alio modo ("auf andere Art") für 1080,182 im Erstdruck. Bach hat sie mehrfach benutzt, um verschiedene Kombinationen einer Stimme mit jeweils anderen Stimmen zu bezeichnen. Innerhalb der Choral-Gruppe des dritten Teils der Clavier-Ubung etwa werden mit Alio modo Sätze bezeichnet, denen dieselbe Choralmelodie zugrunde liegt wie dem jeweils vorangehenden, die diese Melodie aber mit anderen Gegenstimmen kombinieren. Daß die Bezeichnung in der Kunst der Fuge ein Synonym für "Inversus" ist, ist daher unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte sie sich auf die Zusatzstimmen von BWV 1080,18 beziehen. Davitt Moroney z.B. (der 1080,132 bzw. 1080,182 als den Rectus ansieht und dementsprechend in seiner Ausgabe voranstellt) bezieht sie auf die Tatsache, daß BWV 1080,13 hier mit einer vierten Stimme erweitert wird und will Alio modo konsequenterweise für beide vierstimmigen Versionen gelten lassen. Demgegenüber läßt sich vorbringen, daß Alio modo bedeuten könnte, daß 1080,182 die Vorlage BWV 1080,13 mit einer anderen Gegenstimme kombiniert als das davorstehende 1080,181.

BWV 1080,14: Canon per Augmentationem in Contrario Motu

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 14 Inc.jpg

Frühfassung

Autograph: S. 32 (zweistimmige Notierung, ohne Titel); S. 33 (einstimmige Notierung, Canon in Hypodiatessaron al roversio et per augmentationem)
Erstdruck: fehlt
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 111 (zweistimmige Notierung); S. 113 (einstimmige Notierung)
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 124 (zweistimmige Notierung); S. 126 (einstimmige Notierung)
I:

Endfassung

Autograph: S. 38 Canon al roverscio et per augmentationem; Beilage 1 (= Stichvorlage)
Erstdruck: S. 48 Canon per Augmentationem in Contrario Motu.
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 71
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 81 unter dem Titel „Contrapunctus XV“
I:

BWV 1080,15: Canon in Hypodiapason

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 15 Inc.jpg

Autograph: S. 23 Canon in Hypodiapason. (einstimmige Notierung); S 23 Resolutio Canonis (Auflösung in zweistimmiger Notierung)
Erstdruck: S. 51 Canon alla Ottava
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 75
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 72 unter dem Titel „Contrapunctus XII“
I:

BWV 1080,16: Canon alla Decima

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 16 Inc.jpg

Autograph: fehlt
Erstdruck: S. 53 Canon alla Decima [in] Contrapunto alla Terza
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 79
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 77 unter dem Titel „Contrapunctus XIV“
I:

BWV 1080,17: Canon alla Decima

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 17 Inc.jpg

Autograph: fehlt
Erstdruck: S. 55 Canon alla Duodecima in Contrapunto alla Quinta
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 83
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 75 unter dem Titel „Contrapunctus XIII“
I:

BWV 1080,18

Siehe BWV 1080,13

BWV 1080,19: „Contrapunctus 14“

Bach, Johann Sebastian, Die Kunst der Fuge, BWV 1080, 19 Inc.jpg

Autograph: Beilage 3
Erstdruck: S. 61 Fuga a 3 Soggetti
Bachgesellschaft 1878 (Rust): S. 93
Bachgesellschaft 1926 (Graeser): S. 107 unter dem Titel „Contrapunctus XIX“
I: